2 Wer (oder was) ist hier behindert?

Eine Frau sitzt auf einer Sanddüne und schaut in die sich vor ihr erstreckende Wüste.
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Urheber: Patrick Schneider

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2 Wer (oder was) ist hier behindert?

Menschen bewegen sich unterschiedlich fort, lesen ihre Texte vielleicht anders als die meisten in deiner Klasse oder verständigen sich mit Gebärdensprache. Ist das etwa eine Behinderung?

Was genau wird eigentlich als Behinderung bezeichnet? Und welche Formen von Behinderung gibt es überhaupt? Diesen Fragen wollen wir in diesem Kapitel nachgehen.

2.1 Unterschiedliche Formen von Behinderung

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Schaut euch das Video "Was ist Behinderung?" für einen ersten Überblick an.

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In der folgenden Galerie findet ihr Infos über verschiedene Formen von Behinderung.

Hinweis: Du kannst die Galerie auch vergrößern. Wähle dazu das Symbol .

Drei Freunde sitzen an einem Tisch in der Natur. Einer sitzt auf dem Tisch, eine auf der Bank und einer im Rollstuhl.
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Urheber: Unsplash License

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Körperliche Behinderungen

Als körperliche Behinderung werden unterschiedliche Formen von Bewegungseinschränkungen bezeichnet. Das heißt, wenn sich ein Mensch aufgrund von Schädigungen oder Fehlbildungen schwieriger oder nur mit Hilfsmitteln bewegen kann.

Zwei Frauen stehen an einer Kafeemaschine und bedienen diese.
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Urheber: Stock-Fotografie-ID:1291965663

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Geistige Behinderungen

Menschen mit einer geistigen Behinderung haben Schwierigkeiten, neue oder komplexere Informationen aufzunehmen und zu verstehen. Dabei gehört auch das Erlernen neuer Fähigkeiten dazu, was Auswirkungen auf die Entwicklungen haben kann. Es gibt starke Unterschiede, weshalb zwischen leichter, mäßiger und schwerer geistiger Behinderung unterschieden wird.

Eine Hand liegt auf einer Fensterglasscheibe, an der Regentropfen runterfließen. Foto in Schwarzweiß.
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Urheber: Unsplash License

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Seelische oder psychische Behinderungen

Seelische oder psychische Behinderungen können auftreten, wenn Menschen aufgrund von langfristigen psychischen Erkrankungen nicht mehr arbeiten können, keine Kontakte pflegen oder sich nicht mehr um sich selbst kümmern können. Besonders schwer für die Betroffenen ist es, dass diese Art von Behinderung nicht sichtbar ist und das Umfeld deshalb nicht darauf reagieren kann.

Es sind zwei Augen von zwei Menschen im Fokus zu sehen, die ihre Köpfe aneinander schmiegen.
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Urheber: Unsplash License

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Sinnesbehinderungen liegen dann vor, wenn Hör-, Seh-, Tast- und/oder Riechsinn eingeschränkt sind und nicht durch Hilfsmittel ausgeglichen werden können.

Eine Behinderung im Bereich der Sinneswahrnehmung betrifft überwiegend das Sehen oder Hören, wesentlich seltener sind Tast- und Geschmackssinn betroffen. Einschränkungen in der Sinneswahrnehmung gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen: z. B. zwischen Gehörlosigkeit, wo ein Mensch nichts mehr hört und Schwerhörigkeit, bei der Geräusche oder Worte verstanden werden können.

Links oben: Körperliche Behinderung. Rechts oben: Geistige Behinderung. Links unten: Seelische/psychische Behinderung. Rechts unten: Sinnesbehinderung.
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Auch kommt es vor, dass ein Mensch mehrere Behinderungen hat, sodass man von einer Mehrfachbehinderung spricht.

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Aufgabe 1: Formen von Behinderung

Notiert euch zu jeder Form von Behinderung die jeweiligen Merkmale. Tauscht euch anschließend mit einem Mitschüler/einer Mitschülerin darüber aus und vergleicht zwei Formen von Behinderung genauer.

2.2 Definitionen von Behinderung

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Doch was wird eigentlich genau unter einer Behinderung verstanden? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn wie du schon an den Formen von Behinderung gesehen hast, ist der Begriff der Behinderung vielschichtig.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Behinderung zu verstehen und zu definieren. Je nachdem, aus welcher Perspektive darauf geschaut wird, gibt es folgende Definitionen von Behinderung:

» medizinisch » gesundheitlich

» rechtlich » sozial » pädagogisch

Behinderung ist also nicht gleich Behinderung. Schau dir im Folgenden zwei Definitionen genauer an:

Medizinische Definition Rechtliche Definition
Eine Ärztin sitzt an einem Tisch und macht sich Notizen.
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Urheber: Tima Miroshnichenko

https://www.pexels.com/de-de/foto/person-menschen-frau-schreibtisch-5407206/

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Behinderung aus der Perspektive einer Ärztin
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© Digitale Lernwelten

Arrc

Eine einheitliche Definition gibt es in der Medizin nicht. Die medizinische Sichtweise kann jedoch so zusammengefasst werden.

Ein Jurist sitzt an einem Schreibtisch vor einem Laptop und denkt nach.
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Urheber: Sora Shimazaki

https://www.pexels.com/de-de/foto/asiatischer-mannlicher-richter-der-am-laptop-im-buro-arbeitet-5668773/

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Behinderung aus der Perspektive eines Juristen
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© Digitale Lernwelten

Arrc

Es geht also nicht mehr nur um die körperliche Beeinträchtigung, sondern auch deren Dauer und ihre Folgen für das gesellschaftliche Leben.

§ 2 SGB IX: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie […] an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“

Medizinische Definition Rechtliche Definition
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Aufgabe 2a 2b

Aufgabe 2a: Definitionen erklären

Bearbeitet diese Aufgabe in Partnerarbeit. Eine/einer übernimmt die Rolle der Medizinerin, die/der andere die Rolle des Juristen.

Erklärt euch gegenseitig in eigenen Worten, was ihr in eurer Rolle unter Behinderung versteht. Zeichnet eure Erklärungen auf.

Hinweis: Deine Aufnahme wird nicht automatisch gespeichert. Du kannst sie aber herunterladen und anschließend „Datei hochladen“ auswählen, um sie an dieser Stelle zu speichern.

Aufgabe 2b: Definitionen im Vergleich

Vergleiche die medizinische und die rechtliche Definition von Behinderung miteinander:

  • In welchen Punkten stimmen die Definitionen überein?
  • Was sind deiner Meinung nach die entscheidenden Unterschiede?

Schreibe deine Ergebnisse in das Aufgabenfeld.

Aufgabe 2a 2b
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Exkurs

Besonderheit: Seelische und psychische Erkrankungen

Die rechtliche Definition von Behinderung zeigt ein weiteres Problem von Behinderung auf: Ab wann wird etwas als eine Behinderung wahrgenommen und rechtlich anerkannt? Anders als viele körperliche und Sinnesbehinderungen sind seelische und psychische Behinderungen oft unsichtbar. Das macht es für außenstehende Menschen schwierig, auf diese Behinderungen im Alltag zu reagieren.

2.3 Modelle von Behinderung

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Wie du an der medizinischen und der rechtlichen Definition sehen kannst, gibt es zwei Herangehensweisen, um Behinderung zu beschreiben:

  • das individuelle Modell
  • das soziale Modell

Sieh dir unten die Beschreibungen an und bearbeite anschließend die Aufgabe.

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Individuelles Modell Soziales Modell
Eine Vielzahl an Gummibärchen liegt nebeneinander. Alle Gummibärchen sind weiß, bis auf ein einzelnes rotes Gummibärchen in der Mitte.
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Urheber: Ronile

https://pixabay.com/photos/gummy-bear-gummi-bear-bear-359950/

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Nach dem individuellen Modell ist Behinderung eine körperliche Schädigung oder funktionale Beeinträchtigung. Sie stellt ein persönliches Unglück dar, das individuell bewältigt werden muss. Dabei helfen Ärztinnen und Ärzte oder medizinische Einrichtungen.

Behinderung erscheint dabei als ein Wesensmerkmal oder als Eigenschaft eines Menschen, auf die sie oftmals reduziert werden.

Eine geschlossene Tür. Vor der Tür steht eine rot-weiß gestreifte Absperrung aus Holz.
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Urheber: Matthew Garoffolo

https://unsplash.com/photos/XUg8-SF5URA

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Das soziale Modell sieht Behinderung als Ergebnis gesellschaftlicher Erwartungen, was als normal betrachtet wird und was nicht – und die Reaktion der Gesellschaft darauf. Behinderung entsteht also erst dadurch, dass die Mehrheit der Gesellschaft Menschen mit bestimmten Eigenschaften ausgrenzt und ihnen nicht die gleichen Chancen ermöglicht.

So ist zum Beispiel eine Rollstuhlfahrerin so lange nicht behindert, bis sie in ein Gebäude will, dass nur Treppenaufgänge hat. Gehörlose Menschen sind so lange nicht behindert, bis sie einen Film im Kino anschauen wollen, der keine Untertitel hat.

Individuelles Modell Soziales Modell
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Aufgabe 3: Wer (oder was) ist hier behindert?

Die zwei Modelle gehen unterschiedlich mit dem jeweiligen Menschen mit Behinderung um. Wie wird Behinderung in den beiden Modellen definiert? Arbeite die Unterschiede heraus. Vergleicht eure Antworten zu zweit.

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Zusatzaufgabe: Deine Meinung!

Was denkst du? Hängt der Wert eines Menschen davon ab, ob er körperlich oder psychisch vollständig gesund ist? Begründe deine Antwort und tausche dich anschließend mit deinen Mitschülerinnen und Mitschülern aus.

2.4 Auswirkungen im Alltag

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Nun seid ihr gefragt: Wo und wann werden Menschen mit ihrer Behinderung im Alltag konfrontiert? Bearbeitet die folgende Aufgabe in kleinen Gruppen, um euch mit den unterschiedlichen Auswirkungen von Behinderungen näher auseinanderzusetzen.

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Aufgabe 4a 4b

Aufgabe 4a: Schulweg mit Hindernissen


Füge hier deine Antworten ein:

Aufgabe 4b: Hindernisse und Hilfsmittel

Stellt euch nun gegenseitig eure Ergebnisse in der Klasse vor.

Diskutiert, welche Hindernisse bereits „beseitigt“ wurden bzw. Einrichtungen angebracht worden sind, die Menschen mit Behinderung unterstützen und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Aufgabe 4a 4b
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Zusammenfassung

1 Unterschiedliche Formen von Behinderung

Links oben: Körperliche Behinderung. Rechts oben: Geistige Behinderung. Links unten: Seelische/psychische Behinderung. Rechts unten: Sinnesbehinderung.
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  • Körperliche Behinderungen
  • Geistige Behinderungen
  • Seelische oder psychische Behinderungen
  • Sinnesbehinderungen
  • Mehrfachbehinderungen

Seelische und psychische Behinderungen sind oft unsichtbar. Das macht es sehr schwierig, diese Behinderungen zu erkennen und zu behandeln.

2 Definitionen von Behinderung

Was unter einer Behinderung verstanden wird, kommt auf die Perspektive an:

  • In der Medizin ist eine Behinderung eine körperliche, psychische oder geistige Beeinträchtigung einer Person.
  • Nach der rechtlichen Definition hat ein Mensch eine Behinderung, wenn er aufgrund einer Beeinträchtigung für mindestens sechs Monate nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.

3 Modelle von Behinderung

Links: Individuelles Modell (ein roter Gummibär, umgeben von weißen Gummibären). Rechts: Soziales Modell (eine Tür wird von einer Barriere versperrt).
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Aus den unterschiedlichen Perspektiven folgen zwei grundsätzliche Herangehensweisen, um Behinderung zu beschreiben:

  • Individuelles Modell: Behinderung wird als rein körperliche Schädigung oder funktionale Beeinträchtigung angesehen, welche individuell bewältigt werden muss.
  • Soziales Modell: Behinderung entsteht erst dadurch, was die Gesellschaft als normal betrachtet und was nicht. Menschen werden in ihrem Leben behindert, weil sie aufgrund ihrer Eigenschaften ausgegrenzt werden.

4 Auswirkungen im Alltag

Bereits eine Treppe oder eine stark befahrene Straße können für Menschen mit Behinderung ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Dabei lassen sich häufig einfache Mittel und Wege finden, wie diese Hindernisse beseitigt werden können. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, diese überhaupt als Hindernisse wahrzunehmen.